Neben den Anbaubedingungen wirkt auch die Weinernte auf die Qualität des späteren Weins ein. Ein wichtiger Aspekt bei der Weinernte ist der richtige Zeitpunkt. Je nachdem, wie früh oder spät die Trauben geerntet werden, hat dies Einfluss auf die Süße und den Geschmack. Den einen richtigen Erntezeitpunkt gibt es nicht: Die verschiedenen Rebsorten wachsen unterschiedlich schnell und verfügen somit auch über differente Erntezeitpunkte. Demnach sind einige Rebsorten früher für die Ernte bereit und andere hingegen erst später. Im Generellen sind die Weißweinsorten wesentlich früher reif als die Rotweinsorten. Winzer nehmen auf diese Spezifikationen bei ihrer Ernte Rücksicht und orientieren sich bei ihren Ernteplänen an den jeweiligen Reifezeiten.

Der Zeitpunkt der Ernte unterscheidet sich nicht nur von Rebsorte zu Rebsorte, sondern auch von Anbaugebiet zu Anbaugebiet. In Mitteleuropa findet die Ernte meist im Spätsommer und im Herbst statt, da die Bedingungen zu dieser Zeit am besten sind. Spezielle Weinsorten werden zu anderen Zeiten geerntet, da besondere Bedingungen erfüllt sein müssen, die im Spätsommer und Herbst nicht vorhanden sind. Für einen Eiswein müssen die Trauben beispielsweise frostigen Temperaturen von -7° ausgesetzt gewesen sein, sodass sich die Erntezeit bis in den Februar hinauszögern kann.

Auch im Reifegrad gibt es Unterschiede bei der Ernte. Schaumweine werden beispielsweise wesentlich früher geerntet, um den Alkoholanteil gering zu halten. Je später eine Traube geerntet wird, desto mehr Zucker und weniger Säure enthält sie. Spät geerntete Trauben bringen daher in der Regel süßere Weine hervor. Die reifen Trauben, die für die Herstellung von Wein verwendet werden, sind nicht mit den Weintrauben zu vergleichen, die Sie im Supermarkt kaufen können. Die Trauben für die Weinproduktion müssen meist noch mehrere Wochen länger an den Reben hängen, damit der richtige Reifegrad erreicht ist.

Doch wie kann der Reifegrad der jeweiligen Trauben festgestellt werden? Winzer benutzen diesbezüglich vor allem ihren Geschmackssinn. Sie wissen genau, wie eine reife Traube schmecken muss, und probieren in der heißen Phase täglich, um den exakten Erntezeitpunkt abzupassen. Neben dem Geschmackssinn der Winzer, der jahrelange Erfahrung voraussetzt, gibt es heute auch technische Hilfsmittel: Ein sogenanntes Refraktometer misst durch optische Signale die Reife der Trauben und zeigt an, ob die Traube zur Ernte bereit ist.

Die Weinernte wird auch als Traubenlese oder Weinlese bezeichnet. Die Herkunft dieses Wortes stammt aus der traditionellen Art der Weinernte: Manuell mit der Hand, Traube für Traube. Die manuelle Traubenlese hat, im Vergleich zur maschinellen, vor allem den Vorteil, dass tatsächlich nur die Reifen Trauben geerntet werden und eine qualitative Auswahl stattfindet. Früchte, die noch nicht reif genug sind, oder andere Mängel haben, die dazu führen, dass sie nicht weiterverarbeitet werden können, werden entweder zu einem späteren Zeitpunkt geerntet oder, im Falle eines Mangels, entfernt.

Eine manuelle Weinlese findet vor allem dann statt, wenn eine bestimmte Sorte von Trauben geerntet werden soll. Bei der Verjus-Lese werden zum Beispiel nicht die reifen, sondern die unreifen Trauben benötigt, was eine Handlese zwingend erforderlich macht. Auch können Vollernter auf besonders steilen Hanglagen nicht zum Einsatz kommen, da die Maschinen dort nicht genügend Halt haben. Jährlich ziehen deswegen Erntehelfer und Winzer in diese Regionen aus, um dort die Trauben mit der Hand zu lesen. Sie führen dabei Equipment wie Eimer und Traubenscheren mit sich, um die Arbeit möglichst effizient zu gestalten.

Bei der Traubenlese handelt es sich um eine körperlich anstrengende Arbeit, die nicht zu unterschätzen ist. Das Lesen der Trauben an steilen Berghängen sowie die teilweise gebückte Haltung erschwert die Arbeit, die gleichzeitig als sehr interessant und doch abwechslungsreich beschrieben werden kann.

Zwar ernten einige Weingüter ihre Trauben noch teilweise auf klassischem, manuellem Weg: Die Möglichkeiten der maschinellen Ernte werden allerdings immer effizienter und wirksamer. Die maschinelle Ernte ist mit einem sogenannten Vollernter möglich. Durch Rütteln und Schütteln der Reben fallen die reifen Trauben zu Boden und werden von einem Lamellensystem aufgefangen. Die abgeernteten Trauben gelangen über ein Förderband in eine Sammelstation. Durch die Rüttelbewegungen gelangen ebenfalls Blätter und Zweige zu den geernteten Trauben, die durch ein Gebläse von den Trauben getrennt werden. Von der Ernte nicht betroffen sind unreife Trauben. Die Maschine schafft es, diese an den Reben zu belassen, damit sie weiterreifen können. Die abgeernteten Trauben werden, nachdem sie in das Sammelbecken befördert wurden, zur Weiterverarbeitung auf das jeweilige Weingut gebracht, wo sie dann zur Weinherstellung vorbereitet wird.

Wenn Sie sich für die Weinlese interessieren, können Sie sich bei einem Winzer Ihres Vertrauens erkundigen, ob dieser Seminare zum Thema Weinernte anbietet. Viele Weingüter ermöglichen es Ihnen, live bei der Weinernte dabei zu sein. Lernen sie die automatischen Erntegeräte kennen, beobachten Sie, wie die Trauben durch die Maschinen geerntet werden, und staunen Sie über die technologischen Innovationen, die es in diesem Bereich mittlerweile gibt.

Wenn Sie sich eher für die manuelle Traubenlese interessieren, können Sie in vielen Weingütern an einem Kurs über Weinlese teilnehmen. Hier lernen Sie von Grund auf, woran Sie eine reife Traube erkennen und wie sie diese abernten müssen. Der Erntehelfer oder sogar der Winzer wird Ihnen zeigen, wie sie mit der scharfen Schere die Trauben einzeln abschneiden und in einen Eimer legen. Üblicherweise fassen die Ernteeimer rund fünfzehn Liter, damit die Erntehelfer die Eimer nicht ständig ausleeren müssen.

Bei einer solchen Führung durch die Weinberge inklusive einer Weinlese lernen Sie nicht nur, wie aufwendig die Ernte und die Weinherstellung sind. Sie werden auch erkennen, dass die Arbeit rund ums Thema Wein sehr viel Spaß macht. So können Sie beispielsweise einen spannenden Tag mit Ihrer Familie auf einem Weingut verbringen und das Ernten der Trauben lernen. Die Weinlese ist hierbei nicht nur für Erwachsene gedacht. Auch Jugendliche und gegebenenfalls sogar Kinder können Spaß an der Weinlese entwickeln und die Tätigkeit in der freien Natur genießen. Machen Sie sich jedoch keine Sorgen: Sie werden in einem solchen Seminar nicht stundenlang als Erntehelfer eingesetzt und müssen mehrere Eimer Trauben ernten. Es geht bei solchen Veranstaltungen überwiegend um das Kennenlernen der Materie und um den Blick auf die Arbeit rund um den Wein.